BBP erfolgreich vor Gericht: Landgericht Düsseldorf erlässt einstweilige Verfügung gegen Amazon

Das Landgericht Düsseldorf hat am 01.12.2023 (Az. 12 I 308/23) Amazon, d.h. die Amazon Services Europe S.a.r.l., im Rahmen einer einstweiligen Verfügung verpflichtet, unlauteres Verhalten eines chinesischen Wettbewerbers eines deutschen Amazon-Verkäufers zu unterbinden.

 

Notice and Take Down Verfahren

Dem Beschluss vorausgegangen war ein Hinweis an Amazon, dass ein chinesischer Wettbewerber zwei Produkte, die keine Produktvarianten voneinander darstellen, als Child-ASINS unter einer Parent ASIN bündelte und so die ganz überwiegend positiven Bewertungen des einen Produktes auf das andere Produkt erstreckte. Das Produkt mit hunderten positiven Bewertungen war dabei nicht als Produktvariante auf der Produktangebotsseite des Amazon-Marketplace sichtbar. Über die Kundenbewertungen konnte jedoch nachgewiesen werden, dass sich diese auf zwei völlig unterschiedliche Produkte bezogen.

Amazon war weiter darauf hingewiesen wurden, dass das Impressum des chinesischen Amazon-Händlers auf dem Amazon-Marktplatz chinesische Schriftzeichen aufwies und somit gegen § 5 Telemediengesetz (TMG) verstößt.

 

Wettbewerbsrechtliche Abmahnung von Amazon

Nachdem Amazon sich nach dem Hinweis auf die Verletzung des Wettbewerbsrechts (sog. „Take-Down-Notice“) als nicht zuständig erklärte und auch nichts weiter gegen das unlautere Verhalten des Wettbewerbers unternahm, wurde das Unternehmen selbst wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert. Als auch diese nicht abgegeben wurde, beantragte der deutsche Amazon-Seller eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Düsseldorf, die schließlich am 01.12.2023 erlassen wurde.

 

Erlass der einstweiligen Verfügung durch das Landgericht

Das Landgericht begründete nicht nur dezidiert seine internationale Zuständigkeit für wettbewerbsrechtliche Verstöße durch Amazon nach dem erfolgtem Hinweis durch die Antragstellerin, sondern stellte auch klar, dass das Bündeln zweier Child-ASINS, die keine Produktvarianten voneinander darstellen, mit der Folge, dass die Kundenbewertungen zusammengefasst werden, eine unlautere Irreführung Verbraucher darstellt (§ 5 Abs. 1 UWG).

 

Zugleich verstößt es nach Auffassung des Landgerichts Düsseldorf gegen § 3a UWG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG, wenn ein (chinesischer) Amazon-Verkäufer als verantwortlicher Diensteanbieter das Impressum auf dem (deutschen) Amazon-Marktplatz in chinesischen Schriftzeichen angibt. Dem Nutzer könnten so nicht die Tragweite ihrer zukünftigen Verpflichtung beurteilen und so die Gefahr bestimmter Irrtümer vermeiden, die zum Abschluss eines nachteiligen Vertrages führen könnten. Es ist das erste Mal, dass sich ein deutsches Gericht zur Angabe eines Impressums in einer für den angesprochenen Nutzerkreis nicht lesbaren bzw. verständlichen Schrift äußert.

 

(Offenlegung: BBP Rechtsanwälte vertritt die Antragstellerin)

 

Der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf wird folgend ausschnittsweise wiedergegeben.

12 O 308/23

Landgericht Düsseldorf

Beschluss

 

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

der

[  ] GmbH

Antragstellerin,

Verfahrensbevollmächtigte: BBP Rechtsanwälte & Fachanwälte / Bomke Fischer Dietrich Gericke PartG mbB, Konstanzer Straße 55, 10707 Berlin,

gegen die

Amazon Services Europe S.a.r.l., vertreten durch den Geschäftsführer Xavier Flamand, Avenue John F. Kennedy, 1855 Luxemburg, Luxemburg,

Antragsgegnerin,

hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf am 01.12.2023

durch den Richter am Landgericht Dr. Wesselburg, die Richterin Krönig und die Richterin am Landgericht Papeo

beschlossen:

 

Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, untersagt, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland

 

1. auf der Internetwebseite www.amazon.de Dritten die Gelegenheit zu gewähren, trotz eines vorherigen Hinweises Produkte zum Verkauf anzubieten, deren in der Produktdarstellung angegebenen Kundenbewertungen sich nicht ausschließlich auf das angebotene Produkt und / oder auf eine Produktvariante beziehen, wie geschehen bei der Produktdarstellung gemäß Anlage 01 durch den Amazon-Verkäufer XX

 

und/oder

 

2. Dritten zu erlauben, trotz eines vorherigen Hinweises Angaben im Impressum des Marktplatz-Verkäufers in einer Sprache zu veröffentlichen, die Nutzer auf dem von der Antragsgegnerin betriebenen deutschen Amazon-Marktplatz (www.amazon.de) nicht lesen können, wenn dies geschieht wie gemäß Anlage 02 durch den Amazon-Verkäufer XX

 

 

II.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

(…)

 

G r ü n d e:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

Die Voraussetzungen der §§ 935, 940, 936 Satz 1, 920 Absatz 2 ZPO liegen vor. Die Antragstellerin hat einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht.

 

I.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Sie folgt aus Art. 7 Nummer 2 der Verordnung (EG) Nummer 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Danach kann bei Vorliegen einer unerlaubten Handlung eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Europäischen Union hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, verklagt werden. Damit ist sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens gemeint, so dass der Kläger die Wahl zwischen beiden Orten hat (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2014, Rechtssache C-360/12 Coty/First Note Perfumes NV – Parfumflakon II; BGH, Urt. vom 14. Januar 2016, Az. I ZR 65/14, Rn. 15 – Freunde finden).

 

Bei dem vorgeworfenen Wettbewerbsverstoß handelt es sich um eine unerlaubte Handlung. Bei Wettbewerbsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll. Indiz für die bestimmungsgemäße Auswirkung in Deutschland ist – wie hier – ein in deutscher Sprache gehaltener Internetauftritt (vgl. BGH, Urt. vom 30. März 2006, Az. I ZR 24/03, Rn. 25 – Arzneimittelwerbung im Internet; BGH, Urt. 12. Dezember 2013, Az. I ZR 131/12, Rn. 26 – englischsprachige Pressemitteilung; OLG Düsseldorf, Urt. vom 12. September 2019, Az. I-15 U 48/19, Rn. 9 und Oberlandesgericht Frankfurt, Urt. vom 7. November 2019, Az. 6 U 61/19, Randnummern 40 folgende ausdrücklich für „Amazon Marketplace“, mithin die Antragsgegnerin).

 

Das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, ist wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme besonders geeignet, den Rechtsstreit zu entscheiden (EuGH, Urt. vom 5. September 2019, Rs. C-172/18, Rn. 57 zu Artikel 97 Absatz 5 der Unionsmarkenverordnung). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs liegt auch der Handlungsort in Deutschland. Verkaufsangebote, die elektronisch für Waren angezeigt werden, sind als in dem Hoheitsgebiet „begangen“ anzusehen, in dem sie zu einer Werbung und zu einem Verkaufsangebot geworden sind, nämlich dem Gebiet, in dem der geschäftliche Inhalt den Verbrauchern, an die er gerichtet war, tatsächlich zugänglich gemacht worden ist (EuGH, Urt. vom 5. September 2019, Rs. C-172/18, Rn. 64). Es ist hingegen nicht der Ort maßgeblich, an dem der Handelnde seine Website eingerichtet und die Anzeige seiner Werbung und Verkaufsangebote ausgelöst hat bzw. technische Maßnahmen zur Schaltung der Anzeige im Internet getroffen hat (EuGH, Urt. vom 5. September 2019, Rs. C-172/18, Rn 51). Der Gerichtsstand hängt nicht schließlich davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist. Es reicht aus, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.

 

Im Übrigen ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für das vorliegende Eilverfahren zumindest aus Artikel 35 der Verordnung (EG) Nummer 1215/2012. Für die danach erforderliche „reale Verknüpfung“ reicht es aus, dass auch in Düsseldorf ein Erfolgsort der behaupteten unerlaubten Handlung belegen ist.

 

Dies berücksichtigend liegen hinreichende Anknüpfungspunkte für die internationale und die sich damit aus der Vorschrift zugleich ergebende örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf vor. Die in Luxemburg ansässige Antragsgegnerin richtet sich mit ihrem Angebot der Internethandelsplattform Amazon.de („Amazon Marketplace“) bestimmungsgemäß an in Deutschland ansässige Kunden (Endverbraucher) beziehungsweise an (gewerbliche) Anbieter, die beabsichtigen, gegenüber ihren Kunden deutschlandweit auf der Internethandelsplattform Amazon.de Produkte zum Kauf anzubieten. Dem steht nicht entgegen, dass der Internetauftritt der Antragsgegnerin im Ausland veranlasst worden ist.

 

II.

Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Unterlassung gemäß den §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 5 UWG zu, auf ihrer Internethandelsplattform www.amazon.de – nach der erfolgten Anzeige mit anwaltlichem Schreiben vom 30. Oktober 2023 (Anlage ASt 10) im Rahmen des Notice-and-Take-down-Verfahrens weiterhin – Angebote des Amazon-Marktplatz-Verkäufers zu schalten, bei denen (1.) sich die auf der Angebotsseite im Rahmen der Produktdarstellung angegebenen Kundenbewertungen (Anlage ASt 7 bis ASt 9 und Anlage 1 zum Tenor) nicht ausschließlich auf das angebotene Produkt und / oder auf eine Produktvariante beziehen und/oder bei denen (2.) die Angaben im Impressum des Amazon-Marktplatz-Verkäufers in einer Sprache veröffentlicht sind, die Internetnutzer auf der von der Antragsgegnerin betriebenen deutschen Internethandelsplattform www.amazon.de nicht lesen können (Anlage 2 zum Tenor).

 

1.

Die Antragstellerin ist als Mitbewerberin aktivlegitimiert (§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Es kann offenbleiben, ob die Parteien des Rechtsstreits – auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen – in einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis stehen. Jedenfalls fördert die Antragsgegnerin durch das Bereitstellen ihrer Internethandelsplattform www.amazon.de zumindest den fremden Wettbewerb des Amazon-Marktplatz-Verkäufers nämlich dessen Produktabsatz auf der Internethandelsplattform. Soweit es um die Förderung fremden Wettbewerbs geht, muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das erforderliche konkrete Wettbewerbsverhältnis zwischen dem geförderten Unternehmen und dessen Mitbewerber bestehen, was hier der Fall ist. Sowohl die Antragstellerin als auch der Amazon-Marktplatz-Verkäufers bieten vergleichbare Produkte, nämlich so genannte Rückenstützen (sogar auf ein und derselben Internethandelsplattform, hier www.amazon.de), an. Damit ist die Antragstellerin als betroffene Mitbewerberin berechtigt, gegen den Förderer – hier die Antragsgegnerin – rechtlich vorzugehen.

 

2.

Das Bereitstellen der Internethandelsplattform www.amazon.de durch die Antragsgegnerin für die angegriffenen, dort veröffentlichten Angebote des Amazon-Marktplatz-Verkäufers stellt sich als geschäftliche Handlung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Darunter ist jedes Verhalten einer Person zu Gunsten des eigenen oder fremden Unternehmens bei oder nach einem Geschäftsabschluss zu verstehen, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Das Bereitstellen der Handelsplattform fördert nicht nur die Absatzinteressen der dort tätigen Anbieter. Zudem liegt unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls in Bezug auf das in Rede stehende Angebot des Amazon-Marktplatz-Verkäufers der erforderliche objektive Zusammenhang vor, da das Bereitstellen der Internethandelsplattform bei objektiver Betrachtung gerade darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern. Denn es zielt darauf ab, den Absatz der von Dritten dort angebotenen Produkte zu fördern. Die Beklagte erwirtschaftet – was gerichtsbekannt ist – bei jedem Verkauf eine Verkaufsprovision. Schließlich sollen durch die Angebote und die Art und Weise der Angebotspräsentation auch geschäftliche Entscheidungen der Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer beeinflusst werden, indem sie zum Kauf bewegt werden sollen (Oberlandesgericht Frankfurt, Urt. vom 24. Juni 2021, Az. 6 U 244/19, Randnummer 27)

 

3.

a. Zum einen liegt ausweislich der Anlage 1 zum Tenor ein Verstoß gegen § 5 UWG vor. Gemäß dessen Abs.1 handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Gemäß Abs. 2 der Vorschrift ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben u.a. über die wesentlichen Merkmale der Ware, wie z.B. Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Beschaffenheit, enthält.

 

Eine geschäftliche Handlung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für die Beurteilung kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft. Im Streitfall erwarten die Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer, die die in Rede stehende Angebotsseite des Amazon-Marktplatz-Verkäufers aufrufen, dass die Bewertungen, die in die im nachfolgenden Screenshot erkennbare Gesamtbewertung von 4,5 Sternen einfließen (Screenshot im Original abgebildet) sich auf dasjenige Produkt beziehen, welches dort angezeigt wird – und nicht auf ein völlig anderes Produkt.

 

Die Irreführung liegt hier darin begründet, dass sich die auf der Angebotsseite befindlichen Kundenbewertungen nicht ausschließlich auf das dort angebotene Produkt, eine Rückenstütze (auch als „Rückengurt“ oder „Rückenstützgürtel“ bezeichnet), beziehen, sondern auch – und dies sogar überwiegend – auf ein völlig anderes Produkt (hier eine Lampe). Insofern handelt es sich auch nicht um eine Verknüpfung von verschiedenen ASIN-Nummern im Sinne von Parent- und Child-ASIN, die jeweils gleiche Produkte betreffen, bei denen es aber verschiedene Produktvarianten (z.B. unterschiedliche Größen, Farben etc.) gibt.

 

Bedingt dadurch entspricht auch die Gesamtbewertung des angebotenen Produkts mit 4,5 Sternen von 5 zu vergebenden Sternen (als Durchschnitt der Einzelbewertungen) nicht dem tatsächlichen Durchschnitt aller Bewertungen für das dort angebotene Produkt. Dies war ausweislich der vorgelegten Angebotsseite (Anlagen ASt 7 bis 9) für den Verbraucher auch nicht ohne weiteres erkennbar. Dass es hier zu einer Vermengung von Produktbewertungen von völlig unterschiedlichen Produkten gekommen ist, lässt sich nur herausfinden, wenn man sich die Bewertungen genauer ansieht und deren Inhalt miteinander vergleicht. Bei Bewertungen ohne Bewertungstext und kürzeren Bewertungstexten (dort als „Rezensionen“ bezeichnet) ist dies überhaupt nicht oder – wenn überhaupt – umso schwerer zu erkennen. Im Übrigen kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Nutzer sich die Mühe machen und sich alle oder eine Vielzahl von Bewertungen so genau ansehen. Nicht wenige Nutzer werden ihre Kaufentscheidung allein mit Blick auf die Gesamtbewertung von 4,5 Sternen treffen.

 

Generell sind Kundenbewertungen auf (Verkaufs-)Portalen im Internet, die Erfahrungen von Nutzern mit einem Produkt oder einem Unternehmen wiedergeben, für viele Verbraucher eine überaus wichtige Informationsquelle, auch wenn sie subjektiv gefärbten positiven wie negativen Bewertungen erfahrungsgemäß mit größerer Skepsis begegnen. Somit sind die Angaben auch geeignet, Verbraucher

oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.

 

b. Zum anderen ergibt sich aufgrund der nachfolgend eingeblendeten Angabe auf der Angebotsseite (siehe hierzu Anlage 2 zum Tenor) ein Verstoß gegen Paragraph 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG

(Abbildung des Impressums mit chinesischen Christzeichen)

 

Nach    §   3a  UWG  handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

 

Das Angebot des Amazon-Marktplatz-Verkäufers verstößt gegen § 5 Ab. 1 Nr. 1 TMG, der die Regelungen in Art. 5 Abs. 1 lit. a) und b) der E-Commerce-Richtlinie in deutsches Recht umsetzt. Denn entgegen den gesetzlichen Anforderungen beinhaltet die Angebotsseite keine für den Durchschnittsnutzer lesbaren Angaben zum Namen und zur Anschrift des Diensteanbieters. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5 Abs. 1 lit. a) und lit. b) der E-Commerce-Richtlinie sollen die vom Diensteanbieter mitzuteilenden Informationen den Nutzern ermöglichen, die Tragweite ihrer zukünftigen Verpflichtung zu beurteilen und so die Gefahr bestimmter Irrtümer zu vermeiden, die zum Abschluss eines nachteiligen Vertrages führen könnten. Diesem Zweck werden die zuvor eingeblendeten Angaben nicht gerecht. Dort wird in deutscher Sprache weder der Straßenname noch die Hausnummer, noch die Postleitzahl, der Ort oder das Land der Geschäftsanschrift angegeben. Soweit dort der Zusatz „CN“ lesbar ist, handelt es sich bei dieser Angabe möglicherweise um das Länderkürzel für China, aber auch dies ist weder ausreichend noch eindeutig. Da sich das Angebot auf dem deutschen Amazon-Marktplatz an deutsche Verbraucher richtet, ist die Geschäftsanschrift in einer für den deutschen Verbraucher verständlichen Sprache anzugeben. Das ist bei der hier mutmaßlich in chinesischer Schrift angegebenen Geschäftsadresse nicht der Fall.

 

Diensteanbieter ist vorliegend der für das konkrete Produktangebot auf dem Amazon-Marktplatz Verantwortliche, hier der namentlich nicht weiter bezeichnete Amazon-Marktplatz-Verkäufer Auch Anbieter von Telemedien innerhalb eines Internetportals – wie hier www.amazon.de – sind selbst verpflichtet, ein Impressum vorzuhalten. Wer geschäftsmäßig Waren zum Beispiel über die Internetauktionsplattform „eBay“ versteigert, betreibt ebenso wie ein Gebrauchtwagenhändler, der geschäftsmäßig Fahrzeuge auf Internetplattformen zum Verkauf anbietet, ein eigenes Telemedium (OLG Karlsruhe, Urt. vom 27. April 2006, Az. 4 U 119/04; OLG Düsseldorf, Urt. vom 18. Juni 2013, Az. I-20 U 145/12; OLG Düsseldorf, Urt. vom 18. Dezember 2007, Az. I-20 U 17/07). Nichts anderes gilt für gewerbliche Verkäufer auf der Internethandelsplattform www.amazon.de.

 

Ferner stellt die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG auch eine so genannte Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG dar.

 

Schließlich ist der Verstoß auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Bei den nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG erforderlichen Impressumsangaben handelt es sich um Informationspflichten, die ihre Grundlage im Unionsrecht (Art. 5 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie) haben und damit nach § 5 Abs. 4 UWG per se als „wesentlich“ gelten.

 

4.

Nach dem erfolgten Hinweis der Antragstellerin beziehungsweise ihrer Anzeige mit anwaltlichem Schreiben vom 30. Oktober 2023 (Anlage ASt 10) im Rahmen des Notice-and-Take-down-Verfahrens und der damit einhergehenden Kenntnis der Antragsgegnerin von dem Wettbewerbsverstoß des Amazon-Marktplatz-Verkäufers ist die Antragsgegnerin als Betreiberin der Internethandelsplattform www.amazon.de selbst zur Unterlassung verpflichtet.

 

Dabei kann es dahinstehen, ob sich die Pflicht der Antragsgegnerin zur Unterlassung unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. vom 22. Dezember 2022, Rechtssachen C-148/21, C-184/21 – Louboutin/Amazon) bereits unter dem Gesichtspunkt der Täterschaft/Teilnahme an dem Wettbewerbsverstoß ergibt, weil auf der Internethandelsplattform www.amazon.de neben den Angeboten von Drittanbietern auch Angebote von „Amazon“ (einer Konzerngesellschaft der Antragsgegnerin) zu finden sind, die Produkte dort einheitlich unter dem Logo „Amazon“ präsentiert und – was die Produktbeschreibung angeht – ohne Unterscheidung nach dem Verkäufer („Amazon“ oder Drittanbieter) beworben werden, so dass den Nutzern die Unterscheidung zwischen den Verkäufern nicht immer ganz einfach ist, zumal „Amazon“ daneben auch weitere Dienstleistungen, wie die Bearbeitung von Nutzerfragen sowie Lagerung und Versand von Waren für die auf der Plattform tätigen Verkäufer, anbietet.

 

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht jedenfalls dann, wenn – wie hier – ein entsprechender Hinweis erteilt beziehungsweise eine Anzeige im Rahmen des Notice-and-Take-down-Verfahrens erfolgt ist, eine Verkehrspflicht, die dahin geht, den Wettbewerbsverstoß auf der Internethandelsplattform www.amazon.de durch geeignete Mittel (zum Beispiel das Offline-Schalten des Angebots) abzustellen. Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, ist wettbewerbsrechtlich dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht des Plattformbetreibers hinsichtlich rechtsverletzender fremder Inhalte konkretisiert sich als Prüfungspflicht. Deren Bestehen wie Umfang richten sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen (vergleiche BGH, Urt. vom 18. Juni 2015, Az. I ZR 74/14, Randnummer 23 – Haftung für Hyperlink; BGH, Urt. vom 12. Juli 2007, Az. I ZR 18/04, Randnummer 36 fortfolgende – Jugendgefährdende Medien bei eBay). Der Betreiber eines Online-Marktplatzes muss daher, wenn er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, das konkrete Angebot unverzüglich sperren (so genanntes Notice-and-Take-down-Verfahrens-Prinzip). Dies ist hier von Seiten der Antragsgegnerin jedenfalls innerhalb der zunächst mit anwaltlichem Schreiben vom 30. Oktober 2023 zur Prüfung gesetzten Frist (bis zum 06. November 2023) nicht geschehen. Das in Rede stehende Angebot war auch nach Ablauf dieser Frist nach dem 07. November 2023 noch auf der der Internethandelsplattform www.amazon.de abrufbar. Die Antragsgegnerin hat sich wenige Minuten vor Fristablauf mit dem nicht nachvollziehbaren Einwand, die Take-Down-Notice sei an die falsche Gesellschaft gerichtet gewesen (Anlage ASt 12), ihrer Verantwortung und Prüfpflicht jedenfalls bis zum Fristablauf entzogen.

 

5.

Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr liegt ebenfalls vor. Sie wird durch die jeweiligen Wettbewerbsverstöße und die Weigerung der Antragsgegnerin, das in Rede stehende Angebot unverzüglich zu sperren, indiziert.

 

6.

Die Androhung der Ordnungsmittel beruht auf § 890 ZPO.

 

III.

Der erforderliche Verfügungsgrund liegt ebenfalls vor. Die Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Die Antragstellerin hat die geltend gemachten Wettbewerbsverstöße Ende Oktober 2023 festgestellt. Sie hat sich danach mit anwaltlichem Schreiben vom 30. Oktober 2023, der Anzeige im Notice-and-Take-down-Verfahren (Anlage ASt 10), und – nach Ablauf der darin gesetzten Frist – mit der Abmahnung im anwaltlichen Schreiben vom 10. November 2023. Damit hat die Antragstellerin zu erkennen gegeben, dass ihr die Sache dringlich ist.

 

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO.

 

(Beschluss nicht rechtskräftig)

Ihr direkter Ansprechpartner:

 

Peer A. Fischer
Fachanwalt für Informationstechnologierecht

 

Telefonnummer: (030) 318 0255 – 0
E-Mail: fischer@bbp-legal.com